Religionsforschung im digitalen Wandel: Expert:innen-Workshop zur Zukunft von RESILIENCE-RI in Paris

Wie kann die Religionsforschung auf die Herausforderungen einer zunehmend digitalen und vernetzten Wissenschaftswelt reagieren? Diese Frage stand im Mittelpunkt eines internationalen Workshops, der in Paris stattfand und darauf abzielte, konkrete Impulse für die Weiterentwicklung der europäischen Forschungsinfrastruktur RESILIENCE-RI zu erarbeiten, an der das InfAI in den Arbeitspaketen „Services“ (WP2) und „Users“ (WP3) beteiligt ist, die den Bedarf der wissenschaftlichen Community analysieren und darauf abgestimmte Services entwickeln.
Herausforderungen in der Religionsforschung
Der Workshop begann an jedem Tag mit Impulsvorträgen und Diskussionen zu Entwicklungen und Herausforderungen in der Religionsforschung in den letzten Jahrzehnten und den sich daraus ergebenden Chancen. Dabei wurden theoretische Ansätze, methodische Zugänge und technologische Werkzeuge beleuchtet, die das Fach geprägt haben. Gleichzeitig richtete sich der Blick auf zukünftige Entwicklungen und die Frage, welche Möglichkeiten sich für die Forschung ergeben könnten. Diese Überlegungen bildeten die Grundlage für die Diskussion über die Rolle von Forschungsinfrastrukturen wie RESILIENCE. Die Teilnehmenden diskutierten, wie RESILIENCE dazu beitragen kann, neue Methoden wie zum Beispiel Künstliche Intelligenz in die Forschungspraxis zu integrieren, um Wissenschaftler:innen für eine zunehmend digitale und vernetzte Forschungsumgebung zu rüsten.
Quellenarbeit im digitalen Zeitalter
Es wurde festgestellt, dass physische Quellen, wie etwa Texte in jedweden Erscheinungsformen sowie materielle und immaterielle Zeugnisse religiöser Traditionen, auch künftig ein unverzichtbarer Bestandteil der Religionsforschung bleiben. Gleichzeitig sollen digitale Werkzeuge und Technologien gezielt eingesetzt werden, um auch die Arbeit mit diesen physischen Ressourcen zu erweitern, zu vertiefen und besser zugänglich zu machen.

Digitale Perspektiven und institutionenübergreifende Zusammenarbeit
Das Programm des Workshops bot eine vielfältige Auswahl an Keynote-Vorträgen von Wissenschaftler:innen, die an Institutionen tätig sind, die durch langjährige Forschungsprojekte und innovative Entwicklungen im Bereich der Digitalen Geisteswissenschaften ausgewiesen sind – darunter das CNRS, BiblIndex, Bible Online Learner, der European Cloud for Heritage OpEn Science (ECHOES), Index Theologicus, IRISA, SysLex, sowie dem Forschungsprogramm „Digital Religion(s)“ der Universität Zürich. Thematisch reichten die Beiträge von multilateraler Theologie im Kontext von Open Science über nachhaltige Infrastrukturen für die Bibelwissenschaft bis hin zum Einsatz von Big Data in der Religions- und Kulturerbe-Forschung.
Diese Präsentationen boten sowohl konzeptionelle Impulse als auch praxisnahe Beispiele dafür, wie die Digital Humanities die Religionsforschung grundlegend verändern. Besonders hervorgehoben wurde der Wert institutionenübergreifender Zusammenarbeit. Die Vortragenden gaben Einblicke in interdisziplinäre Forschungsansätze, die Entwicklung digitaler Plattformen und die Herausforderungen bei der Arbeit mit multiskripturalen Umgebungen – etwa anhand von Projekten wie eScriptorium, Kraken, Biblissima+ und BiblIndex.

Nutzungsorientierung und Training
In den letzten Tagen des Workshops standen die Bedürfnisse der Nutzer:innen im Mittelpunkt. In speziellen Sessions wurde Feedback zu bestehenden und zukünftigen RESILIENCE-Services eingeholt – sowohl von erfahrenen Forschenden als auch von Nachwuchswissenschaftler:innen. Zudem wurde vom Projekt ITSERR, das mit RESILIENCE-RI affiliiert ist, ein Portal vorgestellt, das künftig die Koordination von Transnational Access-Forschungsaufenthalten im Rahmen von RESILIENCE ermöglichen soll. Auch innovative Lerntechnologien wie Bible Online Learner wurden präsentiert.
Ergebnisse als Wegweiser für die Zukunft von RESILIENCE
Die im Rahmen von Impulsvorträgen, Expert:innen-Runden und Feedbacksessions gewonnenen Erkenntnisse fließen direkt in die operative Phase von RESILIENCE ein. Sie tragen dazu bei, zukünftige Services gezielt zu priorisieren und sicherzustellen, dass digitale Werkzeuge, der Zugang zu Daten und physischen Ressourcen sowie Schulungsangebote den konkreten Bedürfnissen der wissenschaftlichen Gemeinschaft entsprechen.
Der Workshop wurde gemeinschaftlich von den RESILIENCE-Partnern InfAI, École Pratique des Hautes Études (EPHE-PSL), der Universität Münster und der KU Leuven organisiert und am Campus Condorcet in Paris, einem Standort des französischen Partners EPHE-PSL, durchgeführt. Er markiert einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer kollaborativen und zukunftsorientierten Infrastruktur für die Religionsforschung im Spannungsfeld zwischen technologischer Innovation und wissenschaftlicher Tradition.
Kontakt
Alexandra Nusser
E-Mail: nusser@infai.org
Insitut für Angewandte Informatik (InfAI) e. V.
An-Institut der Universität Leipzig
Goerdelerring 9 ⎥ 04109 Leipzig